Spannender Fachartikel von Oliver F. Lehmann, Präsident der Project Business Foundation, zum Thema Wandel im Projektgeschäft bzw. Projektmanagement für berater.de.
Projektmanagement ist eine Thematik, der wir uns als Selbstständige laufend stellen müssen. Es ist in den späten 50er Jahren des 20. Jahrhunderts als Ingenieurs-Disziplin entstanden, hat sich aber inzwischen in viele andere Anwendungsgebiete hinein ausgebreitet. Während sich klassische Management-Disziplinen überwiegend mit Tagesgeschäft beschäftigen, also mit wiederkehrenden und auf Dauer angelegten Aufgaben, stehen im Mittelpunkt von Projektmanagement zeitlich befristete und einmalige Aufgaben. Klassische Managementaufgaben befassen sich überwiegend mit der Herstellung von Vorhersehbarkeit und Ordnung, bei Projektmanagement geht es dagegen in den meisten Fällen darum, Wandel herbeizuführen.
Aber auch Projektmanagement selbst unterliegt dem Wandel. Ein Beispiel sind die agilen Methoden, die im späten 20. Jahrhundert entstanden sind und sich bei entdeckerischen, schwer planbaren Aufgabenstellungen bewähren. Ein anderes Beispiel ist die Terminologie, die ursprünglich vor allem aus dem technischen Ingenieursbereich übernommen ist, in die aber zunehmend betriebswirtschaftliche sowie aus Soziologie und Psychologie kommende Begriffe Einzug gehalten haben.
Ein weiterer Wandel der letzten Jahre war die zunehmende Verbreitung von Projektarbeit als Geschäft mit Kunden und Lieferanten/Dienstleistern unter Vertrag. Es ist ein messbarer Prozess quer über alle Branchen, dass Projektarbeit, die man früher im eigenen Haus erledigt hätte, heute an Zulieferer vergeben werden. Projekte wurden bisher überwiegend als „cross-functional“ verstanden, also als abteilungs -und bereichsübergreifend. Die damit entstehenden Matrix-Organisationen haben sich ohnehin schon als schwierig zu managen erwiesen. Nun geht der Trend aber weiter zu „cross-corporate“ Projekten, in denen zwei oder mehr, manchmal deutlich mehr, Parteien unter Vertrag zusammenarbeiten. Damit kommen auf die beteiligten Personen, insbesondere auf die Projektmanager, neue Anforderungen zu.
Die Projekte verlassen die beschützte Welt innerhalb der Mauern des Unternehmens und bewegen sich nun vielmehr in einem Raum, der von kaufmännischen und rechtlichen Fragen geprägt ist. In dieser cross-corporate Welt können Projektfehler nicht mehr einfach unter den Teppich des Vorstands geschoben werden. Man muss stattdessen damit rechnen, dass sie in der Presse diskutiert werden und im schlimmsten Fall vor Gericht enden. Kleine Fehlentscheidungen Im Verlauf des Projektes können sich hier rächen und zu schmerzhaften Strafen führen.
Ein weiterer Aspekt, in dem sich Projektgeschäft von internen Projekten unterscheidet, sind die unterschiedlichen Geschäftsinteresse der beteiligten Parteien. Tatsächlich sind sie nach einer Befragung aus dem Jahr 2017 die häufigste Ursache für Konflikte zwischen den Parteien. Weitere Ursachen sind kulturelle Unterschiede und „Big Egos“ auf Seiten der Vertragsparteien.
Die temporäre Natur von Projektarbeit macht Selbstständige zu natürlichen Teilnehmern im Projektgeschäft und tatsächlich ist das für die meisten von uns längst Alltag, für manche seit Jahrzehnten. Für Kunden sind Selbstständige attraktiv für Projekte: Mitarbeiter einzustellen für Projektarbeit ist problematisch, wenn das Projekt zu Ende ist und man sie nicht mehr braucht. Eine Person, die als Freelancer mitarbeitet, entlässt man dagegen aus dem Vertrag, und sie kümmert sich dann selbst um darum, wie sie ihr weiteres Einkommen erzeugen will. Dazu spart man sich Unwägbarkeiten wie Lohnnebenkosten – man hat einen Satz und den bezahlt man. Ein Risiko bleibt – Scheinselbstständigkeit – aber auch damit haben die Beteiligten gelernt umzugehen.
Ein größeres Problem ist, das wieder für Mitarbeiter auf Kundenseite noch bei Lieferanten und Dienstleistern ein klares Verständnis davon besteht, was Projektgeschäft tatsächlich bedeutet. Tatsächlich gibt es zu dem Thema kaum Literatur, Ausbildung, Forschung, und alles das, was sonst zu einer gut verstanden Business -Disziplin gehört. Angesichts der Bedeutung, die Projektgeschäft für das Funktionieren von Volkswirtschaften inzwischen eingenommen hat, aber auch der Tatsache, das Projektgeschäft Hochrisiko-Geschäft für alle Beteiligten ist, ist das eine überraschende Beobachtung.
Einen Anteil an dieser unzureichenden Betrachtung von Projekten als Geschäftsinhalt haben Verbände, die sich bevorzugt mit internen Projekten beschäftigen. Hier finden glanzvolle Ereignisse statt, wie die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, Wandel der Organisation und vieles mehr. Die Verbände für Projektmanagement haben seit vielen Jahren darauf denn Fokus gelegt. Projektgeschäft dagegen hat im Mittelpunkt erstmal den Austausch von Waren und Leistungen gegen Geld. Auch in der akademischen Welt wird Projektgeschäft eher ignoriert. Universitäten neigen zu ausgeprägten Silostrukturen, und Projektgeschäft sitzt halt nicht bequem in einem solchen Silo, sondern eher auf den Mauern zwischen 2 Silos, Projektmanagement und Business Management, und dort geht es doch ziemlich stürmisch zu.
Seit knapp einem Jahr gibt es nun die Project Business Foundation, die den Personen und Organisationen, die an Projektgeschäft beteiligt sind, eine Verbandsheimat anbietet. Es geht dabei um praktische Aufgabenstellungen, wie zum Beispiel die Erstellung eines englischsprachigen Glossars mit Fachbegriffen, die im Projektgeschäft eine Rolle spielen. Weitere Aufgaben für die neue Zukunft haben den Schwerpunkt bei Standardisierung und Ausbildung.
Weitere Programme sind ADR-Angebote (ADR = Alternative Dispute Resolution ~ Außergerichtliche Einigung) und die Durchführung von Project Business Healing Days. Außerdem wird mit einem auf Projektgeschäft fokussierten Code of Conduct ein Hilfsmittel angeboten, das Vertrauen zwischen Kunde und Lieferant/Dienstleiter zu erhöhen.
Das Glossar wurde Ende November 2020 veröffentlicht und steht kostenlos unter https://www.project-business.org/programs/project-business-glossary zur Verfügung.
©2022 berater.de GmbH