Nicht erst in der Corona-Krise hat die Umsetzung der Digitalisierung in vielen Unternehmen große Fortschritte gemacht. Schon zuvor gab es neben verstärktem Denken in Geschäftsmodellen intensive Bemühungen um ein verändertes Führungsverständnis. Agiles Management wurde omnipräsent und durch veränderte Bedingungen und Forderungen verbreiteten sich auch neue Modelle der Arbeit. Die Pandemie hat einem breiten Einsatz des Homeoffice noch einen weiteren großen Schub verliehen.
Die große Tragweite dieser Dinge, die Tatsache, dass es sich bei vielen um ein reales Novum handelte, und die hohe zeitliche Dynamik all dieser Themen haben dazu beigetragen, dass sogar solche Unternehmen dabei externe Unterstützung in Anspruch genommen haben, die Beratungen sonst eigentlich eher kritisch gegenüberstehen. Die Einflüsse auf Strategie, Organisation, Führung und vor allem auf die Mitarbeitenden waren aber oftmals zu groß, als dass Unternehmen dies alleine hätten bewältigen können.
Die neue Arbeitswelt fordert jedoch nicht nur ein Umdenken bei Führung und Zusammenarbeit. Auch die Themen Arbeitssicherheit und Mitarbeitervertretung stellen viele Unternehmen vor völlig neue Herausforderungen. Diese Fragen werden jedoch häufig geringer priorisiert oder sogar unterschätzt. Anstatt diesbezüglich aufkommende Probleme durch passende Veränderungen zu lösen, werden sie häufig einfach nur verdrängt. Es findet dann oft nur ein klassisches „Weiter wie bisher“ statt. Die Mitarbeitervertretung sieht dann weiterhin so aus, wie es jahrzehntelang praktiziert worden war: Durch Betriebsräte, deren Aufgabe vielfach darin gesehen wurde, der Unternehmensführung nur möglichst viele Zugeständnisse für die Mitarbeiter abzutrotzen. Doch dies alleine wird den Anforderungen der digitalen Welt bei Weitem nicht mehr gerecht.
Die geänderten Rahmenbedingungen der digitalisierten Welt und veränderte Erwartungen der nachkommenden Generationen fordern hier ein Umdenken. Das Verständnis hat sich in vielen Unternehmen geändert, weg von „hier die Mitarbeiter, dort das Management“ hin zu „wie können wir gemeinsam das Unternehmen zum Erfolg führen?“ Hier muss über das „Was“ und „Wie“ der Arbeit von Betriebsräten tiefer nachgedacht werden. Auch das andere Selbstverständnis der Generationen Y und Z hat hier Einfluss. Oftmals schwindet die Akzeptanz für solch ein gewähltes Vertretungsgremium, da Mitarbeiter sich nicht mehr nur durch einzelne „Räte“ vertreten lassen wollen. Wird viel und auf breiter Front Homeoffice praktiziert, schwindet die rechtliche Legitimation für Betriebsräte sogar zunehmend, da der Begriff des „Betriebs“ mehr und mehr verschwimmt.
In vielen Unternehmen der Elektro-, Maschinenbau- und High-Tech-Industrie findet man aber noch häufig klassische Strukturen. Produktion und Entwicklung lassen sich selten nur im Homeoffice machen und technische Abläufe prägen oft auch das Verhalten der Menschen. Hier ist der klassische Betriebsrat häufig auch noch eine passende Form der Mitarbeitervertretung. Doch auch hier müssen sich Inhalte und Arbeitsweisen der Betriebsratskooperation der neuen Zeit und dem „New Work“ anpassen, wenn Unternehmen nicht an Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität für neue Mitarbeiter verlieren wollen. Dies kann durchaus geschehen, wenn beispielsweise ständig Innovationsvorhaben durch Betriebsräte blockiert werden oder Verbesserungen der Arbeitsbedingungen vom Management stets abgelehnt werden, nur weil die Vorschläge vom Betriebsrat kommen. Gerade bei der Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben findet man zunehmend eine teilweise nicht unbegründete Verweigerungshaltung von Betriebsräten mit dem Hinweis auf §87 Abs. 6 des Betriebsverfassungsgesetzes.
Doch so lange der rechtliche Rahmen nicht geändert oder angepasst wird, müssen sich Manager und Unternehmensführer mit der jetzigen Lage arrangieren. Umso wichtiger ist es, die bestehenden Rahmenbedingungen zu kennen. Die tägliche Zusammenarbeit mit Mitarbeitervertretern muss so ausgestaltet werden, dass die Modernisierung, die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und auch die Sicherung der Unternehmensattraktivität ohne ständige Konflikte mit Betriebsräten möglich werden.
Hier sind jedoch zahlreiche Manager und Unternehmen in gewisser Weise überfordert. Dies hat dabei meist nichts mit mangelhafter Qualifikation zu tun. Ähnlich wie bei Führung und Zusammenarbeit haben sich Inhalte und zeitliche Dynamik durch die Digitalisierung vehement verändert, sodass im Arbeitsalltag immer mehr Führungskräfte immer schneller und intensiver mit Betriebsräten sehr weitreichende Inhalte bearbeiten müssen. Und genau hier können und sollten Unternehmen ähnlich wie bei den neuen Führungsmodellen die Hilfe qualifizierter Berater in Anspruch nehmen. Sowohl die Vermittlung der rechtlichen Grundlagen als auch deren souveräne Umsetzung im Manageralltag sind entscheidende Punkte, bei denen Berater helfen können.
Welche Rolle können Berater bei diesem Thema spielen? Von den verschiedenen Möglichkeiten seien hier nur drei kurz skizziert:
Eine Betriebsratskooperation, die den geänderten Anforderungen der digitalisierten Welt gerecht wird, ist schwieriger als man zunächst denkt. Ähnlich wie bei agilen Führungsansätzen müssen sowohl die Strukturen im Unternehmen angepasst als auch die beteiligten Akteure dafür entsprechend weiterqualifiziert werden. Dann können Manager mit der notwendigen Souveränität die Zusammenarbeit mit Betriebsräten im täglichen Alltag meistern. Wie bei so vielen anderen Themen ist eine rein unternehmensinterne Lösung kaum möglich, sodass nicht nur die Effektivität durch die Unterstützung kompetenter Berater steigt, sondern vor allem auch gleichzeitig die Effizienz.
Über den Autor
Dr.-Ing. Günther Schöffner, MBA
Unternehmensberater, Change Manager und Experte für operative Unternehmenssanierungen. In verschiedenen Rollen begleitet er seit über 20 Jahren viele Veränderungsprojekte: als Geschäftsführer, CEO, General Manager, Aufsichtsrat, interner Projektleiter oder externer Berater und Coach. Schwerpunkt seiner Tätigkeit sind dabei produzierende Unternehmen der Elektro- und High-Tech-Industrie sowie im Maschinenbau. Seit 2011 ist er Excellence Assessor der EFQM in Brüssel.
Im Juni 2021 erscheint zu diesem Thema im ESV-Verlag Berlin das neue Buch von Dr. Günther Schöffner, das er zusammen mit der Arbeitsrechtsprofessorin Prof. Dr. Petra Senne geschrieben hat. Es ist ein Ratgeber für Führungskräfte und Manager, die in der Zusammenarbeit mit Betriebsräten mit der notwendigen Souveränität agieren wollen.
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