Wenn sich Dinge verändern, bringt das immer auch große Herausforderungen mit sich. Das bekommt derzeit auch die Beratungsbranche zu spüren: Sie durchläuft eine ihrer tiefgreifendsten Veränderungen, die durch den Aufstieg und die Demokratisierung der Künstlichen Intelligenz vorangetrieben wird.
In einer dreiteiligen Interviewserie beschäftigt sich unser CEO Florian Nix mit dem Wandel im Consulting. Mit seinem Gesprächspartner - KI-Experte David Gierse von der Managementberatung Detecon - wagt er eine Bestandsaufnahme (Teil 1) und diskutiert den neuen Alltag der Berater (Teil 2). Im dritten und letzten Teil der Serie blicken die beiden auf Herausforderungen und Lösungsansätze.
David Gierse, KI-Experte und Senior Business Development Manager bei Detecon
Florian Nix: Wie wichtig ist es, dass Beratungsunternehmen AI-ready werden, bevor sie konkrete Anwendungsfälle implementieren?
David Gierse: Hausaufgaben müssen alle Branchen erledigen, ob es der öffentliche Sektor, die Privatwirtschaft oder Unternehmensberatungen sind. Sonst werden sie vom Output der KI enttäuscht sein. Daher sollten sich handelnde Personen folgende Fragen operativ und strategisch stellen:
- Haben wir eine robuste AI- und Event-Driven-Architektur?
- Wie ist unser Datenqualitätsmanagement?
- Haben wir eine Data Governance und eine Datenstrategie?
- Sind unsere Daten klassifiziert und bereinigt?
- Haben wir den Paradigmenwechsel vom Reihenprozess zum datenzentrierten Denken vollzogen?
- Haben wir ein effektives Data Stewardship?
Florian Nix: Was sind dabei die größten Herausforderungen für Beratungshäuser?
David Gierse: Das kommt immer auf den gewählten KI-Use-Case an. Zunächst einmal muss nach Business Impact priorisiert werden, um die meist knappen Ressourcen sinnvoll einzusetzen. Dazu gebe ich ein Beispiel: Wenn ein Beratungshaus das Erstellen von Angeboten automatisieren möchte, sollte es sich erst einmal fragen, was überhaupt ein gutes Angebot ausmacht. Denn damit die Automatisierung funktioniert, müssen die Bausteine passen. Haben wir unsere Informationen, wie Projekthistorien, vorhandene Angebote und Methoden, gut dokumentiert? Benötigen wir Profile und Referenzen? Wo befinden sich die Daten? Wie gehen wir mit den Unmengen von Daten um und sind diese alle vollständig?
Florian Nix: Das heißt, es dreht sich gerade am Anfang alles um Daten?
Genau. Eine hohe Datenqualität und -quantität sicherzustellen, ist für viele eine große Herausforderung. Daher müssen in diesem Beispiel die Angebote von Fachexperten im methodischen, konzeptionellen und inhaltlichen Teil geprüft werden, idealerweise nicht nur intern sondern auch von Kundenseite. Das ist essenziell, um die passende Datenqualität und -quantität zu gewährleisten.
Florian Nix: Wenn die ersten Use-Cases aber erstmal laufen, fängt die eigentliche Arbeit ja erst an. In den kommenden Jahren wird sich so viel verändern, dass Beratungsunternehmen am Ball bleiben müssen.
David Gierse: Genau, nach der Pilotierungsphase der ersten KI-Use-Cases geht es darum, diese zu skalieren und an die wachsenden Geschäftsanforderungen anzupassen sowie weitere KI-Use-Cases vorzubereiten. Denn was heute noch ein Wettbewerbsvorteil ist, kann morgen schon wieder überholt sein. Daher erfordert das gesamte Arbeiten ein hohes Maß an Agilität und Flexibilität, eine langfristige Strategie, neue Rollen, Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortlichkeiten und vor allen Dingen eine datenzentrierte Kultur. Jeder im Unternehmen, vom Praktikanten bis zur Geschäftsführung, muss verstehen, wie wichtig Daten für das Unternehmen sind.
All das braucht eine umfassende strategische Planung und ein engagiertes Management. Nur so bringt KI den gewünschten Mehrwert und trägt effektiv zur Verbesserung der Beratungsleistung bei. Ein Aspekt ist auch noch wichtig und wird oft unterschätzt: Die Branche muss ethische Überlegungen im Auge behalten, um sicherzustellen, dass KI-Lösungen fair und verantwortungsvoll eingesetzt werden.
Florian Nix: Ein wichtiges Thema. Momentan schwankt man noch zwischen Hype und Skepsis. Wie siehst du das?
David Gierse: Ganz ähnlich, aber ich denke, wir sind an einem entscheidenden Wendepunkt. Transparenz ist dabei ein Kernprinzip. Es ist wichtig, dass für den Kunden nachvollziehbar ist, wann KI zum Einsatz kommt und welche Entscheidungen darauf zurückzuführen sind. Kunden müssen verstehen, wann und wie KI verwendet wird, um volles Vertrauen in diese neue Art technologiegestützter Prozesse zu haben.
Auch der Datenschutz spielt eine große Rolle, da Beratungsunternehmen oft mit sensiblen Informationen arbeiten. Es muss gewährleistet sein, dass diese Daten geschützt sind und die Verarbeitung den rechtlichen Anforderungen entspricht. Außerdem müssen Berater sicherstellen, dass die von KI-Systemen verwendeten Daten verantwortungsvoll genutzt werden und frei von Vorurteilen sind, um Fairness und Gleichbehandlung zu gewährleisten.
Florian Nix: Und wenn doch mal etwas schief geht, brauchen wir entsprechende Kontrollmechanismen. Hast du da Beispiele?
David Gierse: Zuallererst muss die Rechenschaftspflicht klar geregelt sein. Das heißt, es muss eindeutig geklärt werden, wer innerhalb des Unternehmens für die durch KI getroffenen Entscheidungen verantwortlich ist.
Zusätzlich sind eine kontinuierliche Überwachung und Bewertung der KI-Systeme erforderlich, damit die ethischen Standards eingehalten werden und effektiv funktionieren. Und letztendlich haben Beratungsunternehmen auch eine gesellschaftliche Verantwortung: Wer KI einsetzt, darf damit gerne einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten.
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